Die Katzenpopulation im Landkreis steigt unkontrolliert, in diesem Jahr wurden im Tierheim besonders viele herrenlose Katzenkinder abgegeben. Der Verein fordert neue Pflichten für Halter.
Sie sind klein, drollig, kuschelig und lassen die Herzen von Tierfreunden höher schlagen – Katzenwelpen sind süß und viele Menschen möchten welche. Nur gibt es zu viele Samtpfoten, die sich auch hierzulande unkontrolliert vermehren. Zum Leid der Katzenkinder.
Jedes Jahr zwischen Mai und September steigt die Zahl junger Katzen im Kreistierheim in Cappel sprunghaft an, sowohl wildgeborene Kitten wie ungewollter Nachwuchs aus Privathaushalten landen in der Einrichtung, häufig ausgesetzt, weggeworfen, von Krankheiten gezeichnet.
In diesem Jahr kamen bislang 388 neue Katzen im Tierheim an – im ganzen Jahr 2018 waren es noch 350 insgesamt. „Uns fehlt der Platz und es werden in jedem Jahr mehr Katzen, auch aus Privathaushalten – die Geburtenrate ist ein Fass ohne Boden“, betont Tierheimleiterin Maresi Wagner im Gespräch mit der OP. Auf die wachsende Zahl aufmerksam machen sowohl der Tierheimverein wie der Tierschutzverein Marburg.
Beide haben einen Brief an alle Mitgliedskommunen, also alle Städte und Gemeinden im Landkreis versandt, machen auf ein wachsendes Katzenelend aufmerksam, das „längst politische Dimensionen angenommen hat“, berichtet Dr. Hermann Uchtmann, Vorsitzender des Tierheimvereins. Beide Vereine fordern eine verpflichtende Kastration aller freilaufender Katzen vor Eintritt der Geschlechtsreife. „Eine Kastrationspflicht ist das einzig wirksame Mittel, um das Problem einzugrenzen“, sagt Uchtmann.
Kommunen können über Halterpflichten bestimmen.
Parallel brauche es eine Verpflichtung zur Kennzeichnung – etwa per Mikrochip – und Halterregistrierung. Dazu sollten die Gemeinden mit Chiplesegeräten ausgestattet, die Mitarbeiter geschult werden, lautet eine weitere Forderung. Die Kommunen stünden in der Pflicht, die Katzenpopulation in einem halbwegs geregelten Rahmen zu lenken, um langfristig eine Katzenschwemme zu vermeiden.
Denn über die Verpflichtungen für Halter können die Gemeinden mittlerweile über eine Änderung der Kommunalverordnung selber bestimmen. Laut des Deutschen Tierschutzbundes haben knapp 800 Städte und Gemeinden bereits eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnung für Katzen eingeführt. Darunter das benachbarte Alsfeld und Frankenberg.
Ginge es nach den Vereinen, sollten sich dem alle Kommunen in Marburg-Biedenkopf ebenfalls anschließen. „Eine flächendeckende, gemeindeübergreifende Durchsetzung dieser Maßnahmen ist erforderlich, wenn man das Problem der ausufernden Katzenpopulation in den Griff bekommen will“, betonen die Vereine im Brief.
Gleichzeitig würde dies auch die Finanzen der Gemeinden entlasten – mit der Kennzeichnung und Registrierung wären die Tierbesitzer für die Entsorgung von toten Katzen verantwortlich, etwa im Straßenverkehr. Zudem hätten die Halter damit Klarheit über den Verbleib ihrer Tiere. Durch eine Registrierung können zudem aufgefundene und im Tierheim abgegebene Tiere schnell wieder an ihre Halter zurückgegeben werden.
Wachsende Population begünstigt Krankheiten
Dabei herrscht dort angesichts von Platzmangel im Katzenhaus längst Aufnahmestopp. Ausgelegt ist das Tierheim für 80 Katzen, im Schnitt leben dort jedoch mehr als 100. Auch die Möglichkeiten von Tierschutzverein und Katzenbabyrettung Mittelhessen sind erschöpft.
Die Folge: Quasi Stillstand. „Beinahe täglich wenden sich weitere Mitbürgerinnen und Mitbürger des Landkreises hilfesuchend an das Tierheim, weil sich auf ihrem Gelände oder in der Nachbarschaft streunende Katzen mit Nachwuchs angesiedelt haben. Wegen mangelnder Kapazitäten bleiben trotzdem viele Katzen unversorgt und damit unkastriert“, heißt es im Brief.
Die Überpopulation begünstige zudem die Ausbreitung von Krankheiten: Streunende Katzen leiden häufig unter Parasiten und Mangelversorgung. Als Folge unkontrollierter Vermehrung können sich ansteckende Krankheiten ausbreiten, für die besonders Kitten anfällig sind, von Katzenschnupfen, Seuche und Katzenaids bis zu Krankheiten, die auf andere Arten übertragbar sind, etwa Parvovirose oder Giardien.
Finanzen spielen auch für das Tierheim eine tragende Rolle, das sich nur zum Teil aus den Beiträgen der Mitgliedskommunen finanziert. Alleine im Jahr 2016 musste das Tierheim insgesamt 30.400 Euro für tierärztliche Versorgung von Katzen ausgeben. Ein Jahr später waren es schon 38.300 Euro.
von Ina Tannert, Oberhessische Presse